Straining: Die perfide Masche der verordneten Langeweile

Straining: Die perfide Masche der verordneten Langeweile

29 % der deutschen Arbeitnehmer:innen geben an, selbst schon einmal am Arbeitsplatz gemobbt worden zu sein (Studie: Statista/YouGov 2021). Es handelt sich also nicht um Einzelfälle. Auch Straining ist eine Form von Mobbing und ist besonders heimtückisch: Arbeitnehmende werden zur Langeweile gezwungen.

Was ist Straining?

Straining bezeichnet eine Form des Mobbings am Arbeitsplatz, bei dem Mitarbeitende bewusst zur Langeweile verdonnert werden. Dies wiederrum führt zu einer immensen, vor allem psychischen, Belastung und kann bis zum Boreout gehen. Man steht auf dem Abstellgleis, hat nichts mehr zu tun, wird ausgeschlossen, erhält keine Informationen mehr und wird isoliert.

Unter Boreout versteht man die ständige Unterforderung und Langeweile von Mitarbeiter:innen. Also das Gegenteil vom Burnout, bei dem eine anhaltende Überforderung zu gesundheitlichen Problemen führen kann.

Warum nutzen Vorgesetzte Straining?

Straining ist eine Zermürbungstaktik mit dem Ziel, dass Mitarbeitende eigeninitiativ kündigen und das Unternehmen verlassen. Du fragst dich, warum das Unternehmen nicht einfach selbst eine Kündigung ausspricht? Weil sie es in den meisten Fällen nicht können. Wer sich von Mitarbeiter:innen trennen möchte, braucht Gründe. Arbeitnehmende haben einen Kündigungsschutz, den Unternehmen beachten müssen.

Wenn kein Fehlverhalten und auch keine betrieblichen Gründe (Umsatzeinbrüche, Schließungen o.ä.) vorliegen, kann nicht einfach eine Kündigung ausgesprochen werden. Die Möglichkeit eines Aufhebungsvertrages ist für das Unternehmen ebenso wenig reizvoll, da es häufig mit einer Abfindung und somit mit Kosten einhergeht. Diese entstehen bei einer Eigenkündigung von Arbeitnehmenden nicht.

Professor Harald Ege hat den Begriff Straining maßgeblich mitgeprägt. Er sieht dabei vier typische Phasen von Straining.

4 Phasen von Straining

Entzug von Aufgaben: Opfern von Straining werden gezielt Aufgaben und Verantwortung entzogen. Es ist ein Prozess, der häufig schleichend kommt und zunächst gar nicht als bedrohlich empfunden wird. Schritt für Schritt werden die Tätigkeiten weniger.

Langeweile: Die Arbeitstage ziehen sich (engl. to strain: ziehen, dehnen, belasten, spannen«) wie Kaugummi. Mitarbeitende erscheinen zur Arbeit, um dann in Langeweile zu versinken, da es nichts zu tun gibt.

Druck und Zweifel: Wer den ganzen Tag nur dasitzt und sich fragt warum, zweifelt an sich selbst, sucht Gründe für die eigene Daseinsberechtigung im Unternehmen. Dies sorgt für außerordentlichen Stress der Betroffenen bis hin zu körperlichen Beschwerden und psychischen Problemen.

Kündigung: Wer nichts zu tun hat zieht entweder früher oder später selbst die Reißleine oder wird gekündigt. Es gibt schließlich nichts mehr zu tun.

Übrigens: Wer unter Straining leidet und dies beweisen kann, kann juristisch dagegen vorgehen. Straining fällt unter § 823 Absatz 1 BGB, Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht.

Möglichkeiten gegen Straining vorzugehen

Keiner muss sich das Abstellgleis gefallen lassen. Folgende Möglichkeiten gibt es:

  1. Gespräch mit Vorgesetzten suchen
  2. Bemühung um Aufgaben, aktives Einfordern
  3. Dokumentation aller Ereignisse (zu Beweiszwecken)
  4. Betriebsrat einschalten (falls vorhanden) oder Beratungsstelle kontaktieren
  5. Jobsuche und Kündigung

Die Kündigung, ob vom Unternehmen gewollt oder nicht, ist ein drastischer, aber effektiver Weg aus der Situation. Dauerhafte Belastung durch Straining und/oder Mobbing belastet die Gesundheit nachhaltig. Das ist kein:e Arbeitgeber:in wert.


13. Mai 2022 13.05.22
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