KX Personal GmbH

Schöne neue Arbeitswelt

Interview aus "SZENE HAMBURG", #02-2019: Sophia Herzog
Vier-Tage-Woche, Home-Office, Gleitzeit, oder doch lieber der typische Nine-to-five-

Job? Dass jeder Mensch anders ist und individuelle Lösungen braucht, um
langfristig arbeitsfähig zu bleiben, hat Stephan Dahrendorf von „InPlace“ schon
lange verstanden: Seit 20 Jahren begleitet er Menschen auf der Suche nach
dem richtigen Job

SZENE HAMBURG: Herr Dahrendorf, wie finden Sie heraus, welcher Job für einen fremden
Menschen der richtige ist?
Stephan Dahrendorf: Erinnern Sie sich zurück an ihre Schulzeit. Sie hatten nach dem Abschluss wie viele andere vielleicht erst mal keine Ahnung, was Sie als nächstes machen sollen. Das war bei mir
vor 35 Jahren schon so, nur haben wir damals eine übersichtliche Auswahl an Möglichkeiten gehabt. Heute gibt es ja unendlich viele Fächerkombinationen an Universitäten. Das macht die Sache nicht leichter. Und so geht es auch vielen, die ihren Job wechseln wollen. Sie wissen oft nicht, welche besonderen Talente sie auszeichnen und in welchen Berufen diese Fähigkeiten besonders nützlich sind. Da helfen wir.
Und wie genau?
Ganz simpel – wir sprechen. Im Coaching zeichnen wir auf einer Metaplan-Wand gemeinsam die berufliche Biografie des Menschen, den wir beraten, als Graph auf. Der Graph schlägt nach oben aus, wenn etwas besonders gut gelaufen ist oder ein besonderer Erfolg gefeiert wurde, und fällt ab, wenn eine Phase mal schlecht war. Dann sammeln wir, welche Eigenschaften und Kompetenzen der Menschen zu diesem Erfolg beigetragen haben, und suchen ein Berufsfeld, in dem sie diese besonders erfolgreich einsetzenkönnen.
Außerdem versuchen wir herauszufinden, wo sie ihre Prioritäten im Leben setzen. Vielleicht ist ein ausgeglichenes Privatleben wichtig, vielleicht Geld, schnelle Karrierefortschritte oder persönliche Erfüllung. Wir geben keine Lösung vor, sondern helfen Ihnen zur Selbsterkenntnis.
Sie sprechen von den individuellen Prioritäten der Menschen. Ist es wichtig für Gesundheit und Zufriedenheit, diese im Job zu verwirklichen?
Absolut. Das Individuelle, also das Formulieren der eigenen Ansprüche und Wünsche gegenüber dem Arbeitgeber, ist total wichtig. Das hat sich über die letzten Jahre stark verändert. In den 80ern hätte man sich nicht getraut, den Arbeitgeber nach einem Sabbatical, Fortbildungen oder einer Vier-Tage-Woche zu fragen. Man hätte schlicht akzeptiert, was der Chef vorschreibt.
Heute ist das anders?
Ja, das Selbstbewusstsein der Jüngeren, wenn sie in den Arbeitsmarkt eintreten, ist deutlich größer als früher.
Welche Entwicklung steckt dahinter?
Der Umgang mit Autoritäten hat sich geändert. Schon in Familien herrscht ja längst kein so strenger Umgangston mehr wie früher. Ähnlich ist es in Unternehmen. Diese wollen, dass ihre Mitarbeiter kreativ, eigenständig und motiviert mitarbeiten. Die Arbeitgeber wissen, was die Mitarbeiter leisten können und geben ihnen mehr Freiraum. Chefs führen eher fachlich, geben ein Ziel vor und kommunizieren auf Augenhöhe, nicht mehr nach dem Prinzip „Command and Control“ und mit eiserner Hand. Da fällt es als Angestellter natürlich viel leichter, seine Wünsche zu äußern.
Sind Mitarbeiter auch bereit, mehr Verantwortung zu übernehmen? Denn das ist ja die andere Seite der Freiheit …
Der Umgang mit der Freiheit will gelernt sein. Das A und O ist die Kommunikation mit der Führungskraft: Was erwartet sie von mir? Bin ich auf dem richtigen Weg? Muss ich Dinge anders machen? Ohne die ständige Abstimmung der gegenseitigen Erwartungen bin ich nicht mehr frei, sondern hänge in der Luft.
Kann eine Firma funktionieren, wenn jeder Mitarbeiter so arbeitet, wie er gerade will?
Nein, das geht natürlich nicht. Mehr Freiheit bedeutet ja nicht absolute Freiheit. Das Unternehmen bezahlt dem Mitarbeiter ein Gehalt für eine ganz bestimmte Arbeit. Die muss natürlich gemacht werden, und zwar sehr oft an einem bestimmten Ort und zu einer festen Zeit. Arbeitgeber hätten es sogar am liebsten, wenn jede Arbeit immer gleich und immer gleich gut erledigt würde, egal wer sie macht. Die Menschen sind aber nicht gleich. Und wollen deshalb individuelle Arbeitsmodelle.
Welche sind inzwischen geläufig?
Die gibt es in allen erdenklichen Formen, auch, wenn diese Flexibilität natürlich auf bestimmte Branchen beschränkt ist und in Jobs wie zum Beispiel der Pflege, Gastronomie oder Produktion nicht funktioniert. Individuell gestalten kann man drei Bereiche: die Arbeitszeit, den Arbeitsort und manchmal auch den Arbeitsinhalt. Und das geht meistens in vielen verschiedenen Formen, von Vier-Tage-Woche über Home-Office bis zur mobilen Telearbeit, bei der man von jedem Ort der Welt aus arbeiten kann. Es gibt noch einen anderen, ganz spannenden
Trend. Haben Sie schon mal Bilder von den Büros bei Facebook und Google gesehen?
Ja, dort gibt es Sitzsäcke und schicke Möbel, Sportmöglichkeiten, kostenloses Essen, Massage-Sessel und eine hauseigene Bar für den After-Work-Drink …
Genau, das machen diese Unternehmen ganz bewusst, nach dem Motto „Das Office ist das bessere Zuhause“. Man könnte theoretisch sein ganzes Leben dort verbringen. Die Frage, ob das jetzt gut oder schlecht ist, lässt sich lange diskutieren.
Welcher Meinung sind Sie?
Die entscheidende Frage ist doch: Gelingt es mir, mich abzugrenzen? Der Ursprung von Burn-outs liegt auch in der fehlenden Fähigkeit „Nein“ zu sagen oder „Ich mache das erst morgen“, wenn um 22 Uhr noch eine Mail reinkommt. Diese Abgrenzung ist eine wichtige Kompetenz, die vielen fehlt.
Welche Verantwortung haben Führungskräfte bei den neuen Arbeitsmodellen?
Nicht nur der Arbeitnehmer, auch der Chef muss darauf achten, dass Abgrenzung stattfindet. Das ist meistens schwierig für Führungskräfte, die freuen sich ja über jeden, der mehr arbeitet (lacht). Die Personalführung wird immer komplexer, weil die Mitarbeiter immer flexibler arbeiten und das Tempo immer mehr zunimmt. Die Angestellten wollen kreativen Entfaltungsfreiraum und neue Arbeitsmodelle ausprobieren, aber auch gleichzeitig Sicherheit und Stabilität. Das unter einen Hut zu bringen, ist nicht einfach. Man muss als Führungskraft wie auf einem Surfboard die Welle richtig reiten, mit den Bedürfnissen der Mitarbeiter mitgehen, und dabei nicht vom Brett fallen.
Sie sagen, Mitarbeiter wollen neue Arbeitsmodelle ausprobieren. Ist der klassische Nine-to-five-Job überholt?
Im Gegenteil – ich denke sogar, dass er wieder mehr Zuspruch finden wird.
Warum das?
Für viele bedeutet flexibles Arbeiten, mal ein paar Stunden zu arbeiten, dann wieder nicht, dafür aber auch am Wochenende. Und im Grunde lässt einen die Arbeit nie wirklich los, sondern vermischt sich mit dem Privatleben. Statt von Work-Life-Balance sprechen wir heute von Work-Life-Blend. Abgrenzung wird schwierig und es kommt das Gefühl auf, dass man keine Zeit mehr für sich hat. Dieser Trend wird aber wieder in die andere Richtung pendeln, weil das Bedürfnis, seine Freizeit klar abzugrenzen immer wichtiger werden wird.
Das Stichwort „Freiheit“ ist in unserem Gespräch oft gefallen. Ist dieser Freiheitswunsch der Arbeitnehmer treibend für die Entwicklung von flexiblen Arbeitsmodellen?
Genau. Freiheit wird auch die Zukunft der Arbeit bestimmen. Manche brauchen klare Strukturen und wollen außerhalb des Büros von Mails verschont bleiben. Manche aber brauchen flexible Arbeitsmodelle, um beispielsweise ihren Familienalltag organisieren zu können. Aber das ist doch gerade das Schöne, dass jeder frei wählen kann, welches Modell zu seinen persönlichen Wünschen und Ansprüchen passt. Solange es für beide Seiten funktioniert, ist alles möglich.

Foto: Firmen richten Wohlfühloasen ein, Stephan Dahrendorf arbeitet gerne flexibel

03. Mai 2019 03.05.19
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